Margarete „Maxi“ Petersein, Leiterin „Pilot“ – evangelische Jugendberufshilfe – verabschiedet sich in den Ruhestand
Wohin mit all der Energie, das fragt man sich bei Margarete Petersein. Nicht zu glauben, dass die lebhafte, agile und dynamische Leiterin der evangelischen Fachstelle Jugendberufshilfe in den Ruhestand gehen soll. Doch Maxi Petersein nimmt das erstaunlich gelassen. Sie freue sich auf ein Leben ohne Kalender und Termindruck. Mehr Raum für Familie und Freunde, mehr Zeit für Kultur und Bildung, mehr Zeit für gemeinsame Reisen mit ihrem Ehemann. „Wir sind immer schon gerne verreist. Jetzt freue ich mich außerdem, langjährige Freunde im Ausland auch mal besuchen zu können. Ich gehe sehr gerne zu Lesungen, besuche gerne Ausstellungen und kulturelle Veranstaltungen. Ich bin nach wie vor an gesellschafts- und frauenpolitischen oder praktisch-philosophischen Themen interessiert. So könnte ich mich beispielsweise jederzeit für eine Veranstaltung zu Hannah Arendt begeistern.“
Wurzeln liegen in der offenen Jugendarbeit der evangelischen Kirche
Ihre spezifische frauen-, sozial- und bildungspolitische „Brille“, mit der sie seit 1980 im evangelischen Kirchenkreis für die Chancen von jungen Frauen und Männern einsetzt, dieser Blick auf gesellschaftspolitische Entwicklungen hat seine Wurzeln in der offenen Jugendarbeit der evangelischen Kirche in den 1970er-Jahren. „Die Jugendarbeit war überaus vielfältig und sehr integrierend. Dort in Großauheim, im Jugendklub „Fan 79“ sind Freundschaften entstanden, die bis heute bestehen“, sagt Petersein, die 1957 in Bad-Orb geboren wurde und seit 1960 in Hanau lebt. Die selbstorganisierte Disco war ein ganz neues Format und zog die Jugendlichen in Scharen an. „Am Sonntag Nachmittag gab es gar nichts für uns“, erinnert sich Petersein, die sich nach der Konfirmation in der evangelischen Jugendarbeit engagierte. Geprägt hat sie auch die Bildungsoffensive dieser Zeit, die vor allem Frauen und jungen Menschen aus Arbeiterfamilien Aufstiegschancen geboten hat. „Ich bin die erste Akademikerin in meiner Familie.“ Nach Lyzeum und Abitur an der Hohen Landesschule schrieb sich Petersein in Frankfurt für den neuen Studiengang der Erziehungswissenschaften ein. Über den Bildungs- und Erziehungsbereich die Gesellschaft verändern, für Frauen neue Perspektiven eröffnen, das war es, was Maxi Petersein magisch anzog und wofür sie sich bis heute mit aller Kraft einsetzt. „Bildung ist mir wichtig. Sie ist zentral, denn – das ist sowohl meine persönliche Erfahrung als auch statistische Erkenntnis– nur über Kompetenzen lassen sich Zukunftschancen realisieren und letztlich ökonomisch selbstbestimmt leben.“ Ihr Focus lag dabei immer auf der Aus- und Weiterbildung von Frauen.
In verschiedenen Funktionen für die Bikdung Jugendlicher
Petersein hat in verschiedenen Funktionen im Kirchenkreis, in der Diakonie, in der Landeskirche und in der Stadt Hanau ihre Positionen immer wieder deutlich gemacht – und für die Bildung junger Menschen gekämpft.Bereits 1985 hatte sie ihren Einstieg als ABM für die Mädchenarbeit im „Treff für Jugendliche in Berufsnot“. Aus dieser Einrichtung wird 1999 schließlich „Pilot“ und Margarete Petersein übernimmt die Leitung. Seit Mitte der 1980er-Jahre unterstützt sie die Arbeit der Jugendwerkstatt Hanau e. V. als Vorstandsmitglied. In Kooperation mit der Jugendwerkstatt erkämpft sie die kostenlose Ausbildung in der Altenpflege und baut die Angebote für Jugendliche weiter aus. In Hanau ist Petersein seit über 30 Jahren Mitglied im Jugendhilfeausschuss, zuletzt als stellvertretende Vorsitzende, sie ist Gründungsmitglied im Arbeitskreis Mädchenarbeit – heute Lawine e. V. – und sie ist Mitglied in der Fach-AG „Frauen und Arbeit“ des Kreises und der Agentur für Arbeit und im Frauenplenum der Stadt Hanau. Auf der Ebene der Landeskirche wurde Petersein als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Soziale Integration (heute SIBA) gewählt.
Gründung von „Pilot“ 1999
In erster Linie jedoch forcierte Petersein die Ausweitung und Intensivierung des „Treffs für Jugendliche in Berufsnot“, der sich zu Pilot, evangelische Fachstelle Jugendberufshilfe weiterentwickelte. Das Angebot von Pilot im Bereich Bildung und Beratung ist für Jugendliche manchmal der einzig verbliebene Weg, um Zukunftschancen realisieren zu können. Bildung als Zugang zu Arbeit, die ein ökonomisch selbstbestimmtes Leben ermöglicht, das war und ist das zentrale Anliegen von Maxi Petersein. Dass sie dafür immer die Rückendeckung des Kirchenkreises und ein hohes Maß an Freiheit hatte, um die Jugendberufshilfe weiterzuentwickeln, dafür ist sie dankbar. Ökonomisch sind wir gut aufgestellt, dennoch wird die Refinanzierung unserer Projekte zunehmend schwierig bleiben, da für den Bereich der Jugendberufshilfe keine keine gesicherten Finanzierungstrukturen im Sinne einer Regelfinanzierung vorliegen.“
„Ich konnte mit klugen und interessanten Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten. Wir alle blicken gerne über den Tellerrand, bilden uns weiter und qualifizieren uns zusätzlich. Und wir führten zahlreiche Diskussionen um neue Aspekte und Erkenntnisse in unseren Arbeitsfeldern.“ Die Gesellschaft mitgestalten, Dinge zum Besseren verändern, dafür hat Margarete Petersein sich immer wieder neu und unermüdlich eingesetzt – für Jugendliche, für Frauen, für Bildung, über 40 Jahre.