Liebe Leserinnen und Leser,
es ist wieder Kerbzeit – diesmal nicht in Gronau, jetzt in Niederdorfelden. Es ist Zeit zu tanzen, zu lachen, zusammen zu sein – jetzt und hier. Es ist die Zeit Gläser zu heben, es ist die Zeit bei ungezählten Zigaretten das Leben zu besprechen. Es ist die Zeit endlich wieder Zusammenzusein, sich zwischen lautwummernden Bässen hindurch zu schieben – und zu feiern.
Es ist die Zeit die Familie zu sehen, in den Ferien zu reisen, Ausflüge und die goldenen Herbstblätter durch die Luft fliegen zu sehen. Es ist die Zeit für Kürbissuppenrezepte, es ist die Zeit für wohlige Wärmflaschen bei draußen nasskaltpeitschenden Regenschwaden.
Es ist Herbst und endlich neue Dekozeit – Kürbischnitzen, Kostüme kaufen, Laternenlaufen. Und mitten im Geheimnisvollen des neblig Unklaren – ach, da liegt doch Lebensfreude drin. Und der Tee der dampft und ich ziehe die Wolldecke noch etwas höher und denke – jetzt ist gut – wenn, ja wenn das Wörtchen wenn nicht wär.
Lebensfreude mag leer klingen, wenn ich an die Tafel in Tel Aviv denke, einen Tisch mit 200 Plätzen, gedeckt, mit schönstem Geschirr, gedeckt mit Tellern, mit Gläsern, mit allem, was ein Sabbatfest so braucht. 200 Plätze, für Frauen, Kinder, Kranke, Alte, Behinderte Menschen. 200 unschuldige Menschen, die entführt wurden, die verschollen sind in den Händen einer menschenverachtenden Terrororganisation. Lebensfreude wir im wohligen Herbst?
Es fühlt sich vielleicht schal an, es fühlt sich auch hilflos an und oft genug falsch – nichtsnütze, bringt ja nichts die Lebensfreude, wem ist denn damit geholfen, wenn wir hier feiern? Da hat doch, ausser dem Getränkegroßhändlern, niemand einen Nutzen von. So könnte man ja meinen – könnte. Seh’ ich aber ganz anders. Wenn dann jetzt – gerade jetzt. Denn was nützt es zu verzagen? Was nützt es denn zu erstarren? Nichts. Gar nichts. Das Feiern nützt auch nichts, aber gerade deshalb strahlt es ja, gerade deswegen strahlt Lebensfreude – nützt uns nämlich nichts. Und doch bedeutet Lebensfreude die Welt.
Diese Welt ist natürlich nicht perfekt – schon gar nicht immer im Herbst und auch nicht in diesen Tagen – aber die Lebensfreude, die Sehnsucht nach ausgelassenem Feiern, die hält sie doch zusammen, eben weil sie die Angst durchbricht und noch vieles mehr.
Feiern Sie wieder – ob auf der Kerb, ob in den Herbstferien – die beste Kraft gegen den Krieg und die Angst ist Freude!
Herzliche Grüße
Ihre
Pfarrer*innen
Maraike Heymann
Tobias Heymann