Liebe Leserinnen und Leser,
erinnern Sie sich noch an die Taufe? Also an ihre eigene – sofern Sie getauft sind? Ich hab so ein Fotoalbum mit gestelltem Bild an in einer Kirche, wo ich als kleines Baby von Menschen mit Schulterpolsterkostümen (80er Style) über ein Taufbecken gehalten werde. Erinnerungen hab ich nicht.
Ich hab eine Urkunde, verblichenes Siegel aus dem Pfarramt, wo ich damals lebte mit krakeliger Handschrift ausgefüllt. Ich hab eine Taufkerze, die die letzten Umzüge nur grad so überlebt hat – mein Name ist schon etwas abgebröckelt, das Goldkreuz aus Wachs darauf verwischt. All das sagt mir: Ich bin getauft. Aber was weiss ich denn sonst davon? Hab keine Ahnung, wie das war mit dem Wasser, hab keine Ahnung, ob da sofort etwas geschieht, was mich verwandelt hat. Theolog*innen haben jedenfalls seither ganze Bücher damit gefüllt, was ihrer Meinung nach alles bei der Taufe so passiert. Letztlich landen sie aber doch fast alle wieder nur bei dem Wasser, bei dem Elixier ohne dem nichts ist was ist.
Jesus wieder auch getauft, davon erzählt die Bibel viele Geschichten, alle etwas wirr und unverständlich, aber es war wichtig für die ersten Christ*innen zu wissen: Jesus war wie sie auch, „aus der Tauf gekrochen“ (so hat Martin Luther immer geschrieben – aber zu ihm später noch mehr). Jesus war alt genug, er erinnerte sich an seine Taufe immer wieder – konnte davon erzählen und fand das Ritual wohl so gelungen, dass er seinen Freund*innen den Auftrag gab: „Gehet hin in alle Welt und tauft sie auf meinem Namen“ (Mt 28). Und so geschah es dann, bis heute werden Menschen getauft, taufen wir, sind dabei. Und jedes Mal stellt sich mir die Frage: Was geschieht da eigentlich? Wandelt das Wasser, welches ich mit meinen Händen über den Kopf des Babys schöpfe den Menschen fundamental? Lege ich irgendeinen Vermerk im himmlischen Register an: Dieser Mensch gehört nun dazu… Oder was? Oder wasche ich mit dem Wasser was ab? Ist es die Zweideutigkeit von Wasser – Leben schenken und vernichten – die die Taufe zu dem macht, was sie ist? Ist es das also, das lebendige Wasser, also die Zweideutigkeit allen Lebens? Ich gestehe, mir langt das alles nicht, ist das mit dem kurzen dreimaligen Wasserschöpfen (oder selbst dreimaligen Untertauchen wie in anderen christlichen Traditionen) etwas zu mau. Das solls dann schon gewesen sein? Und was, wenn irgendwer bei dem Ritual damals falsch stand oder was Falsches gemacht hat? Was nützen mir denn dann die ganzen schönen Fotoalben, Dokumente und Taufkerzen – geben die mir irgendeine Sicherheit? Was ist mit dem Lebendigen Wasser der Taufe? Alles nur so was kleines Einmaliges? Martin Luther rang mit der Frage, wie gültig denn eine Tauf sei, von der man als Mensch nichts wüsste, da man sich ja nicht erinnern könne – Martin Luther drehte den Spieß um – und ich find diesen Gedanken so faszinierend: Getauft sind die, die das für sich glauben, sich immer wieder daran erinnern. Ob es nun einer historischen Tatsache entspricht oder nicht – wer glaubt, dass er*sie getauft ist, ist getauft – fertig. Als Mensch muss ich mich nur immer wieder daran erinnern, das Taufwasser lebendig werden lassen, die Taufe neu spüren – immer wieder. Und dann ist es auch egal, ob damals alles richtig war (war es sicher, und wenn nicht, ist auch egal, weil ich glaube). Lebendig wird so die Taufe also einfach durch immer wieder erinnern. Haben Sie Lust dazu? Dann können Sie das am Sonntag in Niederdorfelden um 10h im Gottesdienst bei der Tauferinnerung tun – oder bei einem Spaziergang an der Nidder und dem vielen Wasser, oder beim Blättern durch alte Fotoalben, oder einfach überlegen, was sie trägt, vielleicht entdecken Sie ja ihre Taufe.
Herzliche Grüße
Ihre Pfarrer*innen
Maraike Heymann
Tobias Heymann