Der Evangelische Kirchenkreis Hanau hat im September und Oktober vier Präventionsschulungen zum Thema „Schutz vor sexualisierter Gewalt“ für Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher durchgeführt und dabei 45 ehrenamtliche Verantwortungsträger*innen geschult und für das Thema sensibilisiert.
Es gehört zum Selbstverständnis der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), dass Kirche mit seinen Mitarbeitenden und Einrichtungen ein Schutzraum ist und dort alle Menschen vor sexualisierter Gewalt zu schützen sind. Um das zu erreichen, werden seit zwei Jahren von der Landeskirche Multiplikator*innen für alle Kirchenkreise der EKKW geschult. Deren Aufgabe ist es, in Präventionsschulungen die Verantwortungstragenden der Kirchengemeinden für das Thema zu sensibilisieren, sowie Wissen und Kompetenz zu vermitteln. Für den Kirchenkreis Hanau sind dies Mike Herrmann, Melanie Jörges und Stefan Layer, alle drei SozialpädagogInnen, die in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sind.
Der Kirchenkreis Hanau beschäftigt sich seit 2021 intensiv mit dem Thema „Schutz vor sexualisierter Gewalt“. Mehrere Mosaiksteine sollen den Schutzraum Kirche festigen, wo er schon vorhanden ist und dort schaffen, wo er nötig ist. Erstes Mosaikteilchen war die Installation einer multiprofessionellen Steuerungsgruppe, die schon bei der Besetzung versucht hat, möglichst viele Arbeitsfelder der Ev. Kirche in den Blick zu nehmen. Mit an Bord sind u.a. Kreisjugendpfarrer Philipp von Stockhausen und die stellvertretende Dekanin Ines Fetzer, Pfarrerin Christine Binder, für die Kinder- und Jugendarbeit Mike Herrmann, die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung Frau Böttner-Krügel (Psychologische Beratungsstelle). Weitere Mosaiksteine sind für jede Kirchengemeinde und jede Einrichtung zu erstellende Schutzkonzepte. Darüber hinaus müssen für in bestimmten Bereichen tätige Ehrenamtliche erweiterte Führungszeugnisse vorgelegt werden. Dies wird z.B. für Hauptamtliche in der Kinder- und Jugendarbeit ohnehin bereits alle zwei Jahre angefordert.
In der Präventionsschulung wird den Teilnehmenden schnell deutlich, dass es nicht nur um passive Aufnahme von Inhalten geht, sondern es immer wieder praktische Übungen zwischen den theoretischen Teilen gibt. Die drei ReferentInnen vermitteln, dass es auch um die eigenen Grenzen, die subjektive Sichtweise und Akzeptanz der Grenzen des Gegenübers geht. Das Multiplikatoren-Team hat für die praktischen Teile einen kleinen Bereich gekennzeichnet, in dem die Übungen stattfinden. Erwartungen werden über Zuordnungen zu verschiedenen Aussagen abgefragt. Melanie Jörges stellt zum Beispiel die Frage, ob Nachpfeifen auf offener Straße noch in Ordnung ist, um das Thema zu verdeutlichen. Es gibt eindeutige Sachverhalte, aber auch Fälle, in denen es nicht klar erkennbar ist. Jede und jeder hat eine individuelle Grenze. Es ist ein Teil der Sensibilisierung dies anzuerkennen, eigene Grenzen zu entdecken und auch zu verteidigen, aber auch die Grenzen anderer zu erkennen, zu respektieren und sie nicht zu überschreiten.
In der Schulung wird erklärt, was Grenzverletzung, Übergriff und Straftat bzw. Missbrauch ist und wie sie sich unterscheiden. Wer sind die Täter? Wie sind deren Täterstrategien und wie kann man sie möglicherweise erkennen? Zur Beantwortung und Verdeutlichung nutzt Stefan Layer unter anderem ein Video des BKAs. Anhand eines Beispiels für „Cyber-Grooming“ erfahren die Schulungsteilnehmer*innen wie perfide das Täter*innenvorgehen aussehen kann und wie sich beispielweise in Chatrooms Erwachsene als Jugendliche ausgeben, mit dem Ziel eines sexuellen Kontaktes zu einem Kind oder Jugendlichen – alleine der geschilderte Versuch ist eine Straftat.
Die drei Sozialpädagog*innen schauen auch auf die Betroffenen von sexualisierter Gewalt und wie man Anzeichen erkennt bzw. dass man das Thema überhaupt als Grund für diese Anzeichen in Betracht zieht. Auch hierzu gibt es einen Kurzfilm der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM).
Es ist ein schweres Thema, dass diesen Abend bestimmt. Durch den Wechsel aus Theorie und Übungen, aus Präsentation und eigenem Erleben, bleiben die Teilnehmenden immer dabei, arbeiten mit, stellen viele Fragen und kommen gemeinsam in Diskussionen. Als Mike Herrmann den Missbrauchszyklus vorstellt wird es in der Runde sehr still. An dieser Stelle ist die Schwere des Inhaltes fast körperlich zu spüren.
Die Teilnehmenden nehmen viele neue Informationen und Wissen mit in ihre Kirchengemeinden. Sie sind sich bewusst, was das mit ihnen als Kirchenvorstandsmitglied zu tun hat und erhalten ein digitales Handout mit allen wichtigen Infos inklusive aller Notfall- und Nothilfe-Kontakte von der gemeindlichen bis zur landeskirchlichen Ebene, sowie auch externer Anlaufstellen.
Weitere Informationen gerne per E-Mail unter praevention.kirchenkreishanau@ekkw.de . Unter dieser E-Mail-Adresse sind sowohl die Steuerungsgruppe als auch das Referenten-Team erreichbar.