„Mer muss och jünne künne“ sagt man in Köln, es ist eines der sog. „kölschen zehn Gebote“. Doch auch wir Hessen kennen den Satz „Mer muss auch gönne könne“. Jemand anderem etwas gönnen können ist theoretisch ganz einfach, aber in der Praxis sieht das leider oft ganz anders aus.
Wie geht es uns denn damit, anderen etwas zu gönnen? Ein paar Gegebenheiten fallen mir da sofort ein: beim Mittagstisch in der Kindertagesstätte setzt sich ein Mädchen auf einen Platz neben dem anscheinend beliebtesten Mädchen der Gruppe. Sofort ertönt großes Geschrei eines anderen Mädchens: „Geh da weg, das ist meine Freundin“. Aha, merke ich, Freundschaft kann man also anscheinend nicht teilen? Aber kennen wir das nicht auch manchmal aus unserem Erwachsenen-Leben? Oder denken wir mal an unsere Schulzeit zurück: gab es da nicht immer mal wieder jemanden, der sein Wissen nicht so gerne mit anderen geteilt hat, damit nur er oder sie vor der Lehrkraft glänzen konnte? Und wie sieht es mit dem Thema Lob aus? Wie schwer fällt es doch manchmal, sich mit oder für andere Menschen zu freuen und dies auch zu äußern. Das mag bei der besten Freundin noch gut gelingen, aber beim Kollegen, mit dem man um die Beförderung rangelt, sieht das schon wieder ganz anders aus.
Stopp, werden Sie sagen, es gibt doch auch die anderen, die tatsächlich einfach selbstlos gönnen können. Ja, zum Glück gibt es diese erfreulichen Gegenbeispiele: da ist die Nachbarin, die gerne ihre tollen Kuchenrezepte teilt, damit auch die anderen einmal den schönsten Kuchen des Kaffeenachmittags präsentieren können. Da ist der Geschäftsmann, der sich bei jedem Meeting ausdrücklich bei den Servicekräften persönlich für ihre Unterstützung bedankt und dazu großzügig Trinkgeld verteilt. Und eine ganz besondere Geschichte habe ich ganz aktuell gehört: während des Online-Unterrichtes einer 12. Klasse wusste der Leistungsstärkste der Gruppe auf alle Fragen der Lehrkräfte auch die Antworten, doch statt sich mit diesen bei den Lehrern zu profilieren, schickte er die Antworten elektronisch an seine Mitschüler*innen, damit sie ihre mündliche Note verbessern konnten.
Und auch im Predigttext für diesen Sonntag finden wir eine Person, die selbstlos anderen Gutes gönnen kann: es handelt sich um Johannes, der am Jordan mit seinen Jüngern lebt, dort predigt und die Menschen, die zu ihm kommen, tauft. In all dem macht er aber immer wieder deutlich, dass er lediglich den Weg für den kommenden Messias vorbereitet. Er bezeichnet sich selbst als die Stimme, die in der Wüste ruft: „Bahnt den Weg für den Herrn!“ Eines Tages kommt Jesus zu ihm und Johannes erkennt in ihm den Sohn Gottes. Johannes weist daraufhin seine Jünger auf Jesus, den Messias, hin: „Seht doch, das ist das Lamm Gottes.“ Vermutlich durch diese Worte bestärkt, verlassen Andreas und ein nicht namentlich genannter Jünger ihren Meister Johannes, um Jesus nachzufolgen. Rein menschlich gesehen, erscheint mir das gar nicht so nett. Da sind die beiden vermutlich schon lange mit ihrem Meister Johannes zusammen und dann lassen sie ihn einfach – wortwörtlich – in der Wüste stehen, um einem anderen Mann zu folgen. Doch logisch betrachtet, musste es ja genau so kommen. Von Johannes Seite gibt es keinen Neid, „such dir doch eigene Jünger, das sind meine“, sondern einfach nur grenzenloser Glaube und Vertrauen auf Jesus, der mit seinen Jüngern letztendlich dann ja auch die frohe Botschaft in die Welt gebracht hat.
Und auch diese dürfen wir uns und anderen immer wieder gönnen, z.B. auch jetzt am Sonntag um 10 Uhr im Gottesdienst in Gronau, zu dem ich Sie/euch herzlich einlade.
Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen und euch
Vera Schwarz
Lektorin der Kirchengemeinden Gronau und Niederdorfelden