14 neue Notfallseelsorger entsandt / Hilfe, wenn hauptamtliche Kräfte abrücken / „Zeit schenken“

Von Ulrich Schwind

Gelnhausen: Das war ein guter Tag für die rund 420000 Einwohnerinnen und Einwohner im Main-Kinzig-Kreis: 14 ehrenamtlich Engagierte wurden neu in die Notfallseelsorge entsandt. Ein feierlicher Gottesdienst in der evangelischen Marienkirche Gelnhausen bot dazu den passenden Rahmen.

„Ihr seid Botschafter des Lebens“, freute sich Till Wisseler, Pfarrer für Polizei- und Notfallseelsorge im Main-Kinzig-Kreis, über die neuen Helfer. Vor ihnen stehe ein anspruchsvoller Dienst, ein schwerer Weg, der aber gangbar sei. „Ja, ich komme, ich will da sein. Ich will Sicherheit und Orientierung geben, in der Angst beistehen“, umriss er die Aufgabe, die meist nach dem plötzlichen Tod eines Menschen auf sie zukomme. Gemeinsam mit den Betroffenen würden sie Situationen aushalten, die eigentlich nicht auszuhalten sind. Allein schon die bloße Anwesenheit werde aber guttun.
Wenn die hauptamtlichen Hilfskräfte abrücken müssten, schenkten die Notfallseelsorger Zeit: „Ein großer Schatz.“ Das sei ein Dienst am Menschen und ein Geschenk für die Gesellschaft. Die Helfer legten eine „Spur der Auferstehung“ aus, ließen dem Tod nicht das letzte Wort. Den neuen Hilfskräften wünschte er Kraft, Flexibilität, Kreativität, Kollegialität, Mut und Stärke.

„In den dunkelsten Stunden des Lebens bringen Sie Licht“, betonte Ulrich Briesewitz, Landespolizeipfarrer und Beauftragter für Notfallseelsorge in der evangelischen Kirche, der den Gottesdienst mitgestaltete. Die Notfallseelsorger wendeten sich in „Bruchstellen des Lebens“ an die Betroffenen und ließen diese in ihrer Not nicht alleine. Trotz unterschiedlicher religiöser Hintergründe bei den neuen Helfern gehen in diesem Moment Menschen zu Menschen.
Anschließend stellten sich alle im Halbkreis vor dem Altar auf und versprachen öffentlich, andere in Krisensituationen zu begleiten und dabei mit Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten. Dafür bekamen sie den Segen und die Einsatzweste.
Für den passenden musikalischen Rahmen sorgten Dorina Reichling (Piano und Gesang), Uwe Gesierich (Trompete und Gesang) und Harald Höfler (Saxofon) mit treffenden Liedern wie „Immer an deiner Seite“, „In diesem Moment“ und „Mögen Engel dich begleiten“.

Martin Lückhoff, Dekan des Kirchenkreises Hanau, bezeichnete die neuen Helfer als „Geschenk für die evangelische Kirche, die Menschen im Kreis und für alle, die im Notfall Hilfe brauchen“. Er wünschte ihnen ermutigende Erfahrungen, Ruhe und Gelassenheit sowie Gottes Segen.
Susanne Simmler zeigte sich hocherfreut über die neuen Einsatzkräfte. Die Gesellschaft sehe und schätze diesen Dienst. „Behalten Sie sich ihre Kraft und kommen Sie gut und gesund von ihren Einsätzen zurück“, erklärte die Vizelandrätin. Sie sei „sehr dankbar, dass wir Euch haben“, betonte Jutta Hoffmann, Präsidiumsmitglied im DRK-Kreisverband.
Die 14 Frauen und Männer aus dem gesamten Main-Kinzig-Kreis von Schlüchtern bis Hanau hatten seit Anfang Oktober vergangenen Jahres eine 80-stündige Ausbildung in Zusammenarbeit mit dem Kreisverband Gelnhausen-Schlüchtern des Deutschen Roten Kreuzes sowie in Kooperation mit dem Main-Kinzig-Kreis absolviert. Die Kursleitung hatten Till Wisseler sowie Thomas Nienstedt, psychologischer Fachberater beim Kriseninterventionsdienst des Deutschen Roten Kreuzes.
Ausbildungsinhalte waren beispielsweise Grundlagen der Psychotraumatologie, Umgang mit Sterben, Tod und Trauer, Suizid, Überbringen einer Todesnachricht, Organisation der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) und Psychohygiene.
Mit den neuen Notfallseelsorgern gibt es nun insgesamt 35 Ehrenamtler. Sie übernehmen ebenso Dienste wie alle evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer im Main-Kinzig-Kreis und zwar 24/7 an 365 Tagen im Jahr. Das Kreisgebiet teilt sich dabei in zwei Einsatzbezirke: den westlichen Bereich rund um Hanau sowie den östlichen mit den Altkreisen Gelnhausen und Schlüchtern.

Die Notfallseelsorge ist Teil der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) und gewinnt über die Jahre ein immer höheres Ansehen in der Gesellschaft. Haupt- und ehrenamtliche Notfallseelsorger und -seelsorgerinnen werden bei Bedarf von den leitenden Einsatzkräften hinzugezogen, wenn beispielsweise Angehörige von Reanimationspatienten zu betreuen sind oder die Nachricht vom Tod eines Familienmitglieds zu überbringen ist. Dabei wird mit Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr eng zusammengearbeitet.
Primäres Ziel des Angebotes ist es, Menschen in akuter Not bei der Bewältigung ihrer Situation zu unterstützen und „Erste Hilfe für die Seele“ zu leisten – durch vorübergehende emotionale Entlastung, Aktivierung eines sozialen Netzwerkes, notwendige und hilfreiche Informationen zur Situation und Förderung der Selbstwirksamkeit.
Für diesen Dienst im Main-Kinzig-Kreis werden weitere Helfer gesucht. Ein neuer Ausbildungskurs findet 2024 statt. Anmeldungen sind schon jetzt möglich unter psnv@mkk.de oder till.wisseler@ekkw.de. usd

Bildunterschrift:
Pfarrer Till Wisseler (links) und Landespolizeipfarrer Ulrich Briesewitz (rechts) entsandten mit weiteren Offiziellen die neuen ehrenamtlichen Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger. Foto: Ulrich Schwind