Liebe Leserinnen und Leser,
Sind Sie schonmal enttäuscht worden? Ich neulich im Urlaub zum Beispiel – da war der Plan, endlich diesen tollen Bergsee mit kristallklarem Wasser zu besuchen. Und dann, dann gießt es Bindfäden, dann strömt das Wasser und nichts ist mit türkisblauen Gletscherwasser, stattdessen Schlamm und Frösteln unter der Regenjacke. Pure Enttäuschung ist das – zurück zum Auto und das erste Café aufsuchen – wahrscheinlich ein Touriort, viel zu teuer!
Jesaja, ein alter Prophet Israels, der ist auch mächtig enttäuscht. Er hat die ganze Ungerechtigkeit gesehen, dass sich die oberen der Gesellschaft nicht an Regeln halten, dass Großmächte einfach nur auf den eigene Profit zielen und eigentlich Gerechtigkeit gar nicht so recht gilt. Für ihn schreit diese Ungerechtigkeit zu Gott und Jesaja träumt davon, dass Gott für Gerechtigkeit sorgt, so mit Faust auf dem Tisch und starker Hand und so. Aber, wir kennen das, heute wie damals – die Party in den Palästen geht weiter – Klimawandel nur für die Schwächsten – keine große Revolte. Jesaja ist enttäuscht – Gott soll doch eingreifen – vielleicht dauert es ja nur noch eine kleine Weile. Also gar nicht mehr so lange und dann ist alles wieder in Ordnung. Derweil, ja was denn derweil, wenn wir so enttäuscht im Regen und in Ungerechtigkeit sitzen?
Das Café ist eher so ein Laden für alles – Supermarkt, Bäckerei und Postkartenverkauf. Die Einheimischen stapfen mit Gummistiefeln hindurch – draussen regnet weiter – aber es gibt Kuchen, die Stühle sind klapprig, aber es ist warm. Der Kuchen ist selbst gebacken – und mit mir am Tisch sitzt ein alter Farmer aus einem Tal das vom Bergsee abgeht – wir reden, wir schweigen, wir schauen den Regenmassen zu, noch eine ganze Weile, als es irgendwann weniger wird gehe ich wieder raus in die vom Regen zaubergewaschene Luft und sehe die dampfenden Nebelschwaden zwischen Baumwipfeln der Berghänge aufsteigen. Ich bin wunderbar enttäuscht worden – warum? Weil ich nicht in der Täuschung der perfekten Kulisse geblieben bin, ich hab die Täuschung abgelegt, sie wurde vielleicht sogar abgewaschen und deshalb hab ich wundervolles entdeckt.
Ja, das klingt jetzt romantisch – das Leid auf der Welt ist da, aber schau, da ist ein süßes Café mit wunderbarem Hefegebäck – also ist doch alles nicht so schlimm und deine Enttäuschung über die Ungerechtigkeit der Welt- vertage das noch eine kleine Weile und genieße deinen Kaffee. So kann man das verstehen – oder aber auch: Gott greift nicht mit starker Hand ein, wandelt nicht auf einmal alles sondern Gott enttäuscht uns – schenkt uns vielleicht einen neuen Blick auf unsere Welt, einen liebevollen auf unsere Nächste, weil wir Zeit haben, es selbst in der Hand. Und dann ändert sich doch schon die Welt – oder?
Wir wünschen Ihnen, dass Sie sich enttäuschen lassen, dass Sie so neues entdecken. Und vielleicht wollen Sie ja noch was besonderes erleben, nämlich den ersten eigenen Gottesdienst einer neuen Lektorin – in Niederdorfelden wird am Sonntag den 27.08 um 10h Frau Saskia Rühl den Abschlussgottesdienst ihrer Lektor*innenausbildung halten – eine kleine Prüfung sozusagen. Kommen Sie vorbei, stärken ihr segensreich den Rücken, geben ihr Feedback wie ihnen der Gottesdienst gefallen hat – und Kuchen, den gibts am Sonntag auch in Niederdorfelden.
Herzliche Grüße
Ihre
Pfarrer*innen
Maraike Heymann und Tobias Heymann